1. Astrids wundersame Ferien auf St. Antoinette


    Datum: 30.05.2020, Kategorien: Insel der Scham,

    ... Reiseleiterin am Montagmorgen, dass St. Antoinette zum französischen Überseedepartement Martinique gehört und dass der Präfekt und möglicherweise auch der Vizepräfekt ihren Amtssitz eben im 200 km entfernte Martinique haben. Sie musste also damit rechnen, dass ein kleiner Beamter wegen örtlicher Abwesenheit von Vorgesetzten faktisch eine seinem Rang nicht entsprechende grosse Macht habe, was zu Vorsicht mahnte. Der Amtmann erzählte Astrid zu Beginn, er habe zwei Semester an der Uni Freiburg im Breisgau studiert, sei rund ein Dutzend Male nach Basel und einmal sogar bis nach Bern gefahren und kenne deshalb ein wenig die Schweiz. Dann erklärte er ihr, er habe eben ihre beiden Reisegenossen "fertig gemacht" (was auch immer dies heissen soll) und nun viel Zeit, jedenfalls bis Mitternacht, um sich eingehend um Astrid zu kümmern. Astrid wusste nicht, ob sie diese Ankündigung und überhaupt den Plauderton des Amtmanns, der übrigens das ganze Gespräch prägen wird, als bedrohend empfinden soll. Sie wusste auch oft nicht, wie weit die Fragen und Bemerkungen des Amtmanns überhaupt mit der Sache zu tun hatten und wie weit sie einfach der Stillung der Neugier des Beamten dienten.
    
    Der Amtmann stellte Astrid einige Fragen zu ihrer Person und zum Beruf. Diese gingen zum Teil sehr weit in die Privat- und sogar Intimsphäre. Wäre Astrid in der Schweiz, so hätte sie wohl zu einigen Fragen, insbesondere was ihr Verhältnis zu Männern angeht, die Antwort verweigert. Hier sah sie von solchen ...
    ... Verweigerungen ab, dies auch mit dem Gedanken, dass sie in rund zehn Tagen St. Antoinette verlassen werde und es ihr deshalb gleichgültig sein konnte, was so ein Beamter alles von ihr wisse und was allenfalls in Akten aufscheinen werde. (Dies war vielleicht auch eine innere Rechtfertigung dafür, dass sie sich gegen unverschämte Fragen nicht zur Wehr setzte.) Auch lag ihr Schweizer Reisepass vor dem Amtmann auf dem Schreibtisch, und den brauchte sie zur Rückreise. Solange dieser in dessen Besitz war, fühlte sie sich in besonderem Masse unsicher und unfrei.
    
    Endlich kam der Amtmann zur Sache. Er stellte die Weinflasche, welche sich zuvor in ihrer Umhängetasche befunden hatte, auf den Schreibtisch und fragte Astrid, ob sie sich hierzu äussern wolle. Astrid bestätigte sofort, dass die Flasche vom gemeinsamen Picknick der Reisegruppe am Nordfels herrührte. Sie gab sich zerknirscht und räumte von sich aus ein, dass sie und die gesamte Gruppe am Montag darüber orientiert worden sei, Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit sei auf St. Antoinette unerwünscht. Der Amtmann fragte sie, ob sie häufig alkoholische Getränke zu sich nehme, was Astrid wahrheitsgemäss verneinte. Sie konsumiere solche Getränke fast nur bei besonderen Gelegenheiten und im gesellschaftlichen Rahmen. Ob Astrid rauche? Nein. Ob sie Drogen konsumiere? Nein. Ob sie solche Genussmittel nach St. Antoinette eingeführt habe oder irgendwo, zum Beispiel in ihrem Zimmer oder in ihren Kleidern aufbewahre? Nein. Der Amtmann beschied ...
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