1. Argonauta Kapitel 12-22


    Datum: 15.10.2020, Kategorien: Romane und Kurzromane,

    ... aber hier unten konnte ihn sowieso niemand hören.
    
    Dann lauschte Singer. Stille. Er war allein. Renner war fort. Keine Ahnung, wo er hin war. Nur würde er hoffentlich nicht zu bald wieder kommen. Der Blick des Professors schweifte durch den Raum. Sein enges Gefängnis mochte zwar altertümlich wirken, aber vielleicht wurde er von seinen Entführern trotzdem überwacht. Es war erstaunlich, wie winzig Kameras und Wanzen heutzutage waren. Man konnte sie nahezu unbemerkt in so ziemlich jedem harmlos wirkenden Gegenstand verstecken. Aber er konnte nichts entdecken. Dennoch war er sich unsicher. Was, wenn er vielleicht nicht genau genug geschaut hatte? Wenn es doch irgendwo eine Überwachungskamera gab? Singer beschloss, das Risiko einzugehen. Es war ohnehin seine einzige Chance, die ihm blieb.
    
    Er zog sich eilig sein schmutziges Hemd aus. Dann wickelte er die leere Glasflasche darin ein, packte sie am dünnen Flaschenhals und holte zu einem kräftigen Schlag gegen die Ziegelmauer aus. Hoffentlich würde sein Hemd wie geplant die Geräusche dämpfen. Was er jetzt am allerwenigsten gebrauchen konnte, war Aufmerksamkeit auf sich zu richten.
    
    Die Flasche prallte gegen die Wand. Es funktionierte. Dumpf schlug sie auf, trotzdem kam es ihm wie das laute Krachen eines Gewitters vor. Dort, wo die Flasche in die Wand einschlug, hinterließ sie im Putz einen unansehnlichen Krater. Der Schlag war allerdings nicht kräftig genug und die Flasche blieb heil. Singer holte erneut aus, diesmal etwas ...
    ... weiter. Mit mehr Kraft schlug er zu und diesmal klappte es. Er hörte es klirren als die Flasche in etliche scharfkantige Teile zerschellte. In der Hand hielt er den Flaschenhals, eine lange, gezackte Spitze hing noch daran.
    
    Perfekt. Singer befühlte die scharfe Kante. Beinahe hätte er sich selbst daran geschnitten. Er grinste in sich selbst hinein. Mal sehen, ob Renner sich freuen würde, wenn er ihm diese Scherbe ins Fleisch stoßen würde. Er hatte keine Ahnung, wann Renner zurückkommen würde, aber zweifelsohne musste er irgendwann wieder auftauchen, um das Tablett abzuräumen. Oder um ihn abzuholen und zu seinem Boss zu bringen.
    
    Geduldig setzte Singer sich mit der Scherbe in der Hand auf die Pritsche. Er legte sich hin, schloss die Augen, lauschte in die Stille hinein und wartete.
    
    Kapitel 15: Ein stummer Zeuge
    
    Annie zeigte ihren Polizeiausweis. „Mein Name ist Constable Blackthorne. Ich bin von der Queensland Police", stellte sie sich vor.
    
    Die ältere Dame runzelte irritiert die Stirn. Polizei? In den Räumen der Fakultät für Kunsthistorik? Was das wohl bedeuten sollte?
    
    „Ma'am, ich bin hier, wegen Prof. Singer", sagte Annie.
    
    „Oh, ich fürchte, da müssen Sie später wieder kommen. Der Professor ist noch nicht im Hause."
    
    Annie horchte neugierig auf. Sie warf einen Blick auf ihre Uhr. Kurz vor zehn. „Ist das ungewöhnlich?", fragte sie, „ich meine, ist Prof. Singer immer so spät dran?"
    
    Die Sekretärin antwortete pflichtbewusst: „Eigentlich nicht. Normalerweise ist ...
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