Argonauta Kapitel 12-22
Datum: 15.10.2020,
Kategorien:
Romane und Kurzromane,
... der Professor nie unpünktlich. Er ist eigentlich sogar immer vor mir da."
„Dann ist es also nicht üblich, dass Prof. Singer so spät kommt?"
„Nein, ganz und gar nicht", antwortete die Sekretärin. Dann fiel ihr etwas ein. „Jetzt, wo Sie es erwähnen, eigentlich müsste der Professor in einer Viertelstunde eine Vorlesung halten. Dass er noch nicht da ist, ist wirklich sehr merkwürdig."
Annie bat die Sekretärin, in Singers Terminkalender nachzuschauen, ob er eventuell einen wichtigen Außentermin, sich krank gemeldet oder aus irgendeinem anderen Grund die Vorlesung abgesagt habe.
„Nein, Miss Blackthorne", antwortete die Sekretärin, „Mr. Singer hat mir keine Nachricht hinterlassen und auch keine Nachricht auf dem AB hinterlassen." „Hat er in seinem Terminkalender vielleicht selbst eine Eintragung vorgenommen und nur vergessen, Ihnen Bescheid zu sagen?"
„Das ist unmöglich. Prof. Singer und ich arbeiten seit Jahren äußerst vertrauensvoll zusammen. Die Terminabsprachen überlässt er ausschließlich mir. Auf diese Weise bleibt ihm mehr Zeit, die er seiner Forschungstätigkeit widmen kann."
Das war interessant. Annie überlegte. Passte es ins Bild, dass ein Universitätsprofessor einfach so vergaß, dass er eine Vorlesung halten musste? Wohl eher nicht. Es sei denn, Singer war einer von der Sorte „zerstreuter Professor".
„Könnte es sein, dass der Professor seine Vorlesung einfach vergessen hat?"
„Nein. Prof. Singer ist einer der zuverlässigsten Leute, die ich kenne", ...
... antwortete die Sekretärin, in deren Stimme der nervöser Unterton von Beunruhigung mitschwang. „Warum fragen Sie das überhaupt? Ist dem Professor etwa etwas zugestoßen?"
Annie überlegte, wie viel sie der Sekretärin sagen sollte. Sie beschloss, dass Ehrlichkeit der beste Weg wäre. „Ma'am, ehrlich gesagt weiß ich das nicht. Prof. Singers Frau hat gestern auf unserer Wache angerufen und ihren Mann als vermisst gemeldet."
„Vermisst?", horchte die Sekretärin erschrocken auf.
„Beruhigen Sie sich, Ma'am", sagte Annie beschwichtigend, „normalerweise werden wir erst nach frühestens vierundzwanzig Stunden tätig. Im Moment gehen wir nicht davon aus, dass wirklich etwas passiert ist. Ich möchte nur sicher gehen, dass wir keinen Fehler machen."
„Oh, ach so."
„Ma'am, wäre es vielleicht möglich, einen Blick in Prof. Singers Büro werfen zu dürfen?"
„Ich weiß nicht recht", antwortete die alte Dame zögernd, „normalerweise lasse ich niemanden zu Prof. Singer ins Büro, der keinen Termin bei ihm hat."
„Würden Sie bitte eine Ausnahme machen?", fragte Annie höflich. „Nicht für mich, Ma'am. Für seine Frau, Lydia, so heißt sie doch, oder? Kennen Sie sie? Sie ist beunruhigt und ich bin mir sicher, es würde ihr enorme Erleichterung verschaffen, wenn ich einen ganz kurzen Blick ins Büro ihres Mannes werfen dürfte, um ihr zu bestätigen, dass sie sich keine Sorgen machen muss."
„Also gut, folgen Sie mir", sagte die Sekretärin und erhob sich.
Sie führte Annie einen breiten Gang ...