1. Argonauta Kapitel 12-22


    Datum: 15.10.2020, Kategorien: Romane und Kurzromane,

    ... ihn?"
    
    Florian grinste breit und antwortete mit einer Gegenfrage: „Nicht persönlich, aber ich habe schon von ihm gehört. Er ist einer der besten Pottwalforscher der Welt, wenn nicht gar der beste."
    
    Es war ein großartiges Gefühl, dass er sie endlich einmal in Verlegenheit erlebte. „Ist das wirklich so überraschend für dich?"
    
    „Irgendwie schon", gestand Julia beschämt.
    
    „Ich erzähle dir jetzt mal etwas über mich", sagte Florian ruhig, „ich bin nicht so dumm wie du vielleicht denkst."
    
    Er machte eine Kunstpause und kostete jeden einzelnen Augenblick bis zur Gänze aus. „Ich hab' auch Biologie studiert, genau wie du."
    
    „Echt?", fragte Julia erstaunt.
    
    „Ja. Zwar nur bis zum Bachelor und nicht bis zum Master, aber ja. Danach fand ich, dass ich für eine akademische Karriere nicht gemacht bin, also habe ich noch Fotografie studiert und seitdem verdiene ich mir mein Geld mit Reise- und Naturreportagen als freiberuflicher Autor und Fotograf."
    
    „Entschuldige", sagte Julia peinlich berührt, „das wusste ich nicht."
    
    „Du weißt so vieles nicht", sagte Florian spitzzüngig.
    
    Julia setzte an, um etwas zu erwidern. Etwas Boshaftes, das sah er in ihrem böse funkelnden Blick. Dann überlegte sie es sich anders und schluckte es herunter.
    
    „Ich weiß auch viel nicht", unterbrach Florian nachdenklich die peinliche Stille. „Warum ich hier mit dir am Tisch sitze zum Beispiel."
    
    „Wie meinst du das?", fragte Julia.
    
    „Na ja, du hast mir ziemlich unmissverständlich klar ...
    ... gemacht, dass du mich hasst. Seit wir beide an Bord sind hast du mich das jede einzelne Sekunde spüren lassen. Und doch ... "
    
    „Ja?"
    
    „Und trotzdem sitzen wir gerade friedlich an einem Tisch, ohne uns gegenseitig zu zerfleischen."
    
    „Wir haben einen Waffenstillstand vereinbart, schon vergessen?", sagte Julia.
    
    „Ich weiß. Und den will ich auch nicht gefährden", sagte Florian und erhob sich. „Und deshalb gehe ich jetzt und lass dich wieder alleine. Gute Nacht, Julia."
    
    „Florian?", sagte Julia zögerlich.
    
    „Hm?"
    
    „Bitte, bleib noch."
    
    „Wenn ich mich jetzt wieder setze, kratzt du mir dann die Augen aus?"
    
    Julia kicherte. „Wenn du dich benimmst, dann nicht."
    
    „Erzähl mir von deiner Arbeit", sagte sie neugierig.
    
    „Das geht aber schon über einen Waffenstillstand hinaus, findest du nicht?", fragte er.
    
    Julia zuckte mit den Schultern. „Vielleicht. Bilde dir aber bloß nichts drauf ein, wir sind keine Freunde oder so. Sondern einfach nur ... Kollegen, die in fachlichem Austausch miteinander stehen."
    
    „Damit kann ich leben", antwortete er, „Darf ich?" und zeigte auf den freien Platz direkt neben Julia. „Oder ist dir das zu nah?"
    
    „Nein, ist schon in Ordnung."
    
    Florian setzte sich wieder. Dann sagte er: „Soll ich dir erzählen, wie ich vor fünf Jahren den Yeti gejagt habe?"
    
    „Den Yeti? Ernsthaft? Du spinnst doch!", sagte Julia skeptisch.
    
    „Wirklich", sagte Florian. „Drei Wochen habe ich im Hochland von Tibet verbracht. Die Nacht in einer zugigen Holzhütte auf ...
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