1. Argonauta Kapitel 12-22


    Datum: 15.10.2020, Kategorien: Romane und Kurzromane,

    ... er nun Rinder mit einigem Erfolg züchtete und ein paar riesige Felder sein eigen nennen konnte. Er lebte dort mit seinem Lebensgefährten und vor kurzem hatte das Paar ein Kind adoptiert, ein kleines Mädchen.
    
    Lydia Singer, die Familienmatriarchin, hatte Innenarchitektur studiert und an der Universität eine Zeitlang unterrichtet. Sie und ihr Mann hatten sich daher auch an der Universität kennengelernt und sich ineinander verliebt. Seit die Kinder im Haus waren, hatte sie jedoch nicht mehr in ihrem Beruf gearbeitet und war ganz in der Rolle der liebenden und fürsorglichen Hausfrau und Mutter aufgegangen.
    
    Alles in Allem eine typische Akademikerfamilie, die wahrscheinlich nicht am Hungertuch nagte, sich vermutlich mehr als einen teuren Urlaub im Jahr leisten konnte, aber auch nicht superreich war. Geld als Motiv der Entführer spielte wahrscheinlich keine Rolle, da war Annie sich ziemlich sicher. Sie machte sich trotzdem mit einem Klebezettel eine Notiz, sich bei der Bank der Singers nach der finanziellen Situation zu erkundigen und heftete sie an ihren Monitor.
    
    Dann rief sie die Homepage der University of Brisbane auf, kämpfte sich durch mehrere Seiten und landete schließlich auf der Website des Instituts für Kunstgeschichte und rief die Seite mit den Mitarbeitern auf. Sie entdeckte Singer in einer Liste ganz oben, klickte einen Link an und schon erschien seine berufliche Vita, die sie sich als pdf-Datei herunterlud und in einen Ordner verschob, den sie ...
    ... „Singer_Recherche" nannte. Dann druckte sie sich Singers Vita aus und studierte sie. So viele Vorzüge das moderne Computerzeitalter auch haben mochte, ihr war richtiges Papier in der Hand immer noch am liebsten. Dann nahm sie sich einen Neonmarker und strich sich Stellen in Singers Lebenslauf an, die ihr interessant erschienen.
    
    Singer hatte selbst in Brisbane studiert und mit einer Arbeit über den Spätimpressionismus promoviert. Anschließend waren in seiner Vita Postdoc-Aufenthalte in Deutschland am Museum der bildenden Künste Berlin, der Eremitage in Sankt Petersburg und sogar im Louvre, Paris, zu verzeichnen. Anschließend hatte er habilitiert mit einer Arbeit über den Einfluss indigener Steinmalereien der Aborigine auf die australische Alltagskultur und war schließlich an seiner alten Alma Mater auf den Lehrstuhl für Kunstgeschichte berufen worden. Sein Lebenslauf enthielt eine Liste mit seinen wissenschaftlichen Veröffentlichungen der vergangenen zehn Jahre, die recht lang zu sein schien. Aber Annie wusste nicht, wie viele Arbeiten ein Professor im Durchschnitt pro Jahr veröffentlichte und beschloss, diesen Punkt ebenfalls auf ihre Agenda zu setzen.
    
    Sie fragte sich, ob seine Entführung mit seiner Arbeit zusammenhängen mochte. Hatte jemand vor, ihn zu ermorden, weil er auf seinen Professorenposten scharf war? Oder war es ein Racheakt eines Studenten, der sich von Singer ungerecht behandelt fühlte? Immer wieder hörte man, dass Professoren die Studenten und Doktoranden die Arbeit machen ...
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