1. Argonauta Kapitel 12-22


    Datum: 15.10.2020, Kategorien: Romane und Kurzromane,

    ... Obwohl sie seine Cousine war, verliebte Renner sich in sie. Bis heute war sie die einzige Frau, die er wirklich geliebt hatte.
    
    Die Anziehung beruhte auf Gegenseitigkeit. Obwohl Emily jeden im Dorf hätte haben können, hatte sie Gefühle für ihn, Thomas, entwickelt, ihren gleichaltrigen, pickeligen, schmächtigen Cousin. Auch wenn es offiziell nicht verboten war, dass Cousin und Cousin sich lieben durften, blieben sie nur ein heimliches Liebespaar. Sie hatten beide keine Lust darauf, zum Gesprächsthema des Dorffunks zu werden. Also trafen sie sich für ihr zärtliches Liebesspiel immer nur heimlich. Auf dem Heuboden gaben sie sich ihrer Lust öfter hin. Ab und zu auch am Flussufer, wenn sie wieder einmal mit den Pferden ausgeritten waren. Stundenlang liebten sie sich im hohen Gras und trösteten sich so gegenseitig, wenn Onkel Bill wieder einmal total blau und jähzornig war.
    
    Dann eines schönen Sommertages passierte es schließlich. Thomas arbeitete gerade im Pferdestall und war damit beschäftigt, die Boxen zu reinigen, als Emily völlig aufgelöst bei ihm erschien. Ihr Gesicht war tränenverquollen und sie zitterte am ganzen Körper. Ihre Haare waren zerzaust, ihre Kleidung in Fetzen. Ihr Blick war völlig weltentrückt und leer, dass es ihm kalt über den Rücken lief.
    
    „Was ist passiert?", fragte Thomas besorgt.
    
    Alles, was Emily hervorbrachte, war ein ängstliches Wimmern. Es dauerte Stunden, bis sie sich ihm endlich öffnete. Was sie ihm erzählte, ließ ihn das Blut in den Adern ...
    ... gefrieren.
    
    Onkel Bill war ein noch größeres Schwein als er gedacht hatte. Vollkommen vom Alkohol umnebelt, hatte der Fettsack sich an seiner eigenen Tochter vergangen. Natürlich traute Emily sich nicht, die Vergewaltigung anzuzeigen.
    
    „Er ist immer noch mein Vater", sagte sie. In den nächsten Tagen versuchte sie, weiter zu machen, als wäre nichts geschehen. Doch Thomas sah, dass es sie innerlich zerriss. Er sah, dass seine geliebte Cousine nur noch eine Hülle war, die funktionierte, aber nicht mehr lebte.
    
    Auch Bill machte weiter wie bisher. Er trank, spielte und brüllte weiter und wurde immer gewalttätiger. Er schlug Emily grün und blau, doch statt dagegen anzukämpfen, fügte sie sich in ihr Schicksal und wurde immer kleiner und kleiner.
    
    Ihre Reitkarriere ging zuerst den Bach hinunter. Bei einem sehr entscheidenden Tournier, bei dem auch finanzkräftige Sponsoren auf der Suche nach neuen Talenten zugegen waren, verlor sie die Nerven. Im entscheidenden Augenblick stürzte sie mit ihrem Pferd. Emily verlor nicht nur das Tournier und einen wichtigen Sponsor, sie stürzte derart unglücklich, dass sie sich gleich zwei Halswirbel brach. Einer Versteifung der Wirbel konnte sie nur dadurch entgehen, dass ein junger, motivierter Assistenzarzt eine neue, riskante Operationsmethode vorschlug, bei der die Wirbelkörper durch ein künstliches Implantat ersetzt wurden. Trotzdem bedeutete der Unfall das abrupte Ende ihrer Karriere, noch bevor sie so richtig begonnen hatte.
    
    Frustriert ...
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