Argonauta Kapitel 12-22
Datum: 15.10.2020,
Kategorien:
Romane und Kurzromane,
... Und dann sprudelte es geradezu aus ihr heraus. All der Ballast der Vergangenheit brach sich urplötzlich Bahn wie ein kochender Geysir.
„Vor fünf Jahren hatte ich einen Freund, Tom. Er war einfach die Liebe meines Lebens. Mit keinem anderen war ich je so glücklich wie mit ihm. Und dann ist es passiert. Tom war gerade von einem Juwelier gekommen, um den hier abzuholen", sagte Julia und unterbrach kurz ihren Monolog. Sie strich liebevoll über einen Ring an ihrem linken Ringfinger. Es war ein goldener Ring, in den ein honiggelber Bernstein eingefasst war. „Es sollte unser Verlobungsring werden. Tom wollte mich an diesem Tag fragen, ob ich seine Frau werden möchte."
Julia hielt inne. Es fiel ihr schwer, zu sprechen.
„Was ist dann passiert?", fragte Melina, die allmählich ein ungutes Gefühl beschlich, dass die Geschichte kein Happy End hatte.
„Er muss wohl in Gedanken versunken gewesen sein", sagte Julia mit brüchiger Stimme. Immer wieder wurde ihr Redefluss von Tränen unterbrochen, die sich ihre Bahn brachen. „Eine ... eine Straßenbahn hat ihn angefahren. Er kam sofort ins Krankenhaus, aber die Ärzte konnten nichts mehr für ihn tun. Tom ist an diesem Tag gestorben und mit ihm ein Teil von mir."
„Das ist ja schrecklich", sagte Melina mitfühlend. Ihre Stimme war ganz belegt. Sie hatte das Gefühl, dass Julia eine innige Umarmung nun ganz dringend gebrauchen konnte. „Es tut mir wirklich sehr leid, was dir passiert ist."
„Danach habe ich mich nur noch auf mein ...
... Studium konzentriert. Nachdem ich meinen Abschluss in der Tasche hatte, habe ich beschlossen, all den Scheiß der Vergangenheit hinter mir zu lassen und so weit wie nur möglich fort zu gehen. Da kam mir das Angebot von David gerade recht. Ich dachte, hier würde mich meine Vergangenheit nicht einholen können und ich hätte eine echte Chance auf einen Neuanfang. Aber da habe ich mich wohl geirrt." „Du meinst, dass Florian alte Wunden wieder aufgerissen hat?"
„Ja, genau. Verstehst du jetzt, warum ich nach unserem One Night Stand einfach geflüchtet bin? Ich hatte auf einmal das Gefühl, Tom betrogen zu haben."
„Aber das hast du nicht", antwortete Melina, die nun selbst den Tränen nahe war, so sehr hatte sie Julias schockierende Geschichte mitgenommen.
„Es fühlt sich aber genauso an. Ich fühle mich jedes Mal, wenn ich Florian sehe, als würde ich Tom durch ihn ersetzen und das kann ich einfach nicht. Deshalbkann ich nicht mit ihm zusammen sein. Nachdem er sich bei unserem letzten Treffen wie ein Arsch benommen hat, will ich das auch gar nicht." Julia ballte die Hände zu Fäusten und hämmerte wütend auf die Bettdecke ein. „Und jetzt muss dieser Vollidiot von allen Schiffen dieser Welt ausgerechnet auf dem gleichen sein wie ich."
Melina wischte ihrer Freundin eine Träne aus dem Gesicht. „Komm, Süße. Jetzt duschen wir erst einmal zusammen. Du wirst sehen, danach wird die Welt wieder ganz anders aussehen."
„Zusammen?", fragte Julia und zog eine Augenbraue nach oben.
Ein ...