1. Die Koloskopie


    Datum: 04.06.2024, Kategorien: Schwule

    ... und wenn, dann nur, wenn es mir richtig schlecht geht. Aber heute fühle ich mich außer Stande zu unterrichten. Englisch, Französisch und Deutsch sind meine Fächer. Ich mag meinen Beruf, auch wenn er oft sehr anstrengend ist.
    
    Immer wieder denke ich darüber nach was gestern passiert ist und was mir eine Woche zuvor schon einmal widerfahren ist. Ich bin immer noch erschüttert, fühle mich aber schon deutlich besser als gestern Abend. In mir reift der Entschluss mit Christoph Roth zu reden. Ich glaube nicht, dass ich ihn anzeigen werde.
    
    Nun stehe ich vor dem Haus in dem er wohnt. Es ist ein altes Haus mit hohen Fenstern und Verzierungen. Typisch für die Gründerzeit. Seine Adresse habe ich im Telefonbuch gefunden. Gerechnet hatte ich damit eigentlich nicht, weil viele Menschen gar nicht mehr im Telefonbuch stehen und schon gar nicht mit Adresse.
    
    „C. Roth" steht auf dem Klingelschild. Ich klingele. Es tut sich nichts. Mittwochnachmittag ist die Praxis zwar geschlossen, aber das muss nicht heißen, dass Christoph Roth zu Hause ist. Ich drücke noch mal auf den Klingelknopf.
    
    „Zu wem möchten Sie denn?" höre ich die Stimme einer älteren Frau hinter mir.
    
    Ich drehe mich um. Vor mir steht eine Frau etwa Mitte siebzig um deren Beine eine Katze streicht.
    
    „Ich möchte zu Herrn Roth." antworte ich.
    
    „Ach, der arme Mann! Er ist gestern Abend verunglückt. Liegt jetzt schwer verletzt im Krankenhaus."
    
    Mir wird mit einem mal kalt.
    
    „Wissen Sie in welches Krankenhaus er ...
    ... gebracht worden ist?"
    
    „Nein, aber wahrscheinlich in die Universitätsklinik. Die sind auf Verletzungen an der Wirbelsäule spezialisiert."
    
    Als sie mein fragendes Gesicht sieht, fügt die Frau hinzu, dass Herr Roth gestern Abend von seinem Balkon gestürzt sei.
    
    „Ein Wunder, dass er das überlebt hat. Er wohnt im dritten Stock."
    
    Erschrocken mache ich mich auf den Heimweg. Hat er versucht sich umzubringen? Oder war es ein Unfall? Aber einfach so vom Balkon fallen ist nicht sehr wahrscheinlich. Als ich zu Hause angekommen bin, überlege ich zur Uni-Klinik zu fahren.
    
    Am Empfang der Universitätsklinik nennt man mir Etage und Station. Als ich auf der Station angekommen bin, spreche ich einen Pfleger, der gerade an mir vorbei geht, an und frage nach Christoph Roth.
    
    „Das erste Zimmer auf der rechten Seite. Es ist ein Einzelzimmer." antwortet der Pfleger. Ich bedanke mich und gehe zögernd auf das Zimmer zu. Ist es richtig, dass ich hierher komme? Aber wie sonst könnte ich ihm sagen, dass ich keine Anzeige erstatten werde?
    
    Jetzt stehe ich schon beinahe vor der Tür als die Tür von innen geöffnet wird und eine Krankenschwester aus dem Zimmer kommt. Sie schließt die Zimmertür hinter sich.
    
    „Kann ich Ihnen helfen?" fragt mich die Krankenpflegerin.
    
    Da kommt mir eine Idee. „Würden Sie Herrn Roth etwas von mir geben?
    
    „Sicher, wenn's kein Wodka ist." Die Krankenschwester lächelt mich an.
    
    „Ich würde schnell etwas auf einen Zettel schreiben. Könnten Sie den dann Herrn Roth ...
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